Vortrag und Diskussion mit Heiner Flassbeck: Was ist relevante Ökonomik? Und wodurch unterscheidet sie sich fundamental von all dem, was wir über Ökonomik zu wissen glauben?

Wann:
22. Juni 2023 um 17:00 – 20:00
2023-06-22T17:00:00+02:00
2023-06-22T20:00:00+02:00
Wo:
JuWi-Campus, Hörsaal 24b
Licherstr. 68

Die große Mehrzahl der Wissenschaftler, die versucht haben, das komplexe System Marktwirtschaft zu ergründen, haben sich die Frage gestellt, auf welche Weise der Markt ein bestimmtes Problem löst.

Nur wenige haben gefragt, wie sich die wirtschaftlichen Abläufe in der Wirklichkeit darstellen und ob Märkte dabei eine Rolle
spielen und, wenn ja, welche. Genau da liegt das Problem. Wirtschaftswissenschaft ist bislang eine Wissenschaft, die vordringlich Marktlösungen sucht statt Erklärungen für das, was geschieht. Schon die Aufteilung der Welt in „Märkte“, vom Kapitalmarkt über den Gütermarkt bis zum Arbeitsmarkt, die praktisch jedes Modell und jedes Lehrbuch der Ökonomik zum Leitfaden nimmt, führt fundamental in die Irre. Die Frage, ob und wie ein Markt funktionieren könnte, ersetzt die Frage, die eigentlich Ausgangspunkt jeder Wissenschaft ist, nämlich welche Abläufe in der Wirklichkeit zu beobachten sind.

Weil die Suche nach Marktlösungen das Forschungsinteresse der meisten Ökonomen dominiert, neigen sie dazu, die wirkliche Welt durch Modelle zu ersetzen, in denen Märkte Probleme lösen. Ob die Annahmen, die diesen Modellen zugrunde liegen, noch in ausreichender Weise mit der Wirklichkeit übereinstimmen, ist für den typischen marktwirtschaftlich orientierten Ökonomen nebensächlich. Schwache empirische Bestätigungen lassen sich auch für Modelle finden, die nichts mit den realen Abläufen zu tun haben, wenn man eine geeignete ökonometrische Methodik einsetzt. Für die Frage, wie sich mit staatlicher Politik die Lage der Masse der Menschen verbessern lässt, finden sich auf diesem Weg nur durch Zufall tragfähige Antworten.

Man muss daher einen völlig anderen Weg gehen. Man muss fragen, ob es für die wichtigsten empirisch immer wieder zu beobachtenden Phänomene angemessene Erklärungen gibt, wenn man grundlegende makroökonomische Zusammenhänge berücksichtigt. Einzelne Märkte und einzelwirtschaftliches Verhalten werden selbstverständlich in diese Erklärungsversuche einbezogen.

Für die entscheidenden makroökonomischen Preise aber, den Zins, die Löhne und die Währungsrelationen (also Wechselkurse und reale Wechselkurse), können Überlegungen entlang des Marktmechanismus nicht zu wirtschaftspolitisch verwertbaren Erkenntnissen führen, weil Evidenz und Logik zeigen, dass hier die Voraussetzungen für stabile Angebots- und Nachfrageverhältnisse niemals gegeben sind.

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