An hessischen Hochschulen arbeiteten zuletzt knapp 16.000 studentische Beschäftigte. Sie stellen damit eine der größten und die am schnellsten wachsende Beschäftigtengruppe an den Hochschulen dar. Studentische Beschäftigte werden in zahlreichen Bereichen der Hochschulen und in vielfältigen Aufgabenfeldern beschäftigt und unterstützen im Rahmen sogenannter wissenschaftlicher Hilfstätigkeiten Institute und Professuren in Forschung und Lehre. Sie führen beispielsweise Tutorien durch und helfen in der Lehre, Lehrveranstaltungen vor-zubereiten, durchzuführen und nachzubereiten. Aber auch in der Forschung sind sie unter anderem durch das Lektorat von wissenschaftlichen Texten, die Durchführung von Experimenten oder auch die Beschaffung von Literatur unerlässlich. Die befristete Beschäftigung von Studierenden in diesen Bereichen beruht auf der Annahme, dass diese Tätigkeiten gemäß dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) der eigenen wissenschaftlichen und künstlerischen Qualifizierung und Weiterbildung dienen. Trotzdem werden studentische Beschäftigte auch in Bereichen, wie den Bibliotheken, den Hochschulrechenzentren und Sekretariaten, eingesetzt, in denen diese Grundsätze nicht erfüllt werden. Dort übernehmen sie vermehrt technisch-administrative Aufgaben, die eigentlich nach Tarif bezahlt werden müssen, sodass die Hochschulen hier aktiv Tarifflucht betreiben.
Studentische Beschäftigte übernehmen also nicht nur Tätigkeiten in Forschung und Lehre, sondern erledigen auch vielfältige Verwaltungsaufgaben. Sie sind damit unverzichtbar für den universitären Betrieb, werden jedoch bisher nicht als Beschäftigte im eigentlichen Sinne verstanden und in den Haushalten der Hochschulen nur als Sachmittel verbucht. Mit der Nicht-Anerkennung ihres Beschäftigtenstatus geht gleichzeitig auch der Ausschluss studentischer Beschäftigter aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages der Länder (TV-L) beziehungsweise dem Tarifvertrag des Landes Hessen (TV-H) sowie von einer ordentlichen Personalvertretung einher. Dieser Umstand erweist sich insbesondere deshalb als problematisch, da die Arbeitnehmer*innenrechte studentischer Beschäftigter regelmäßig missachtet werden: Dies belegt die breit angelegte Studie Jung, akademisch, prekär. Studentische Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Eine Ausnahme vom dualen System regulierter Arbeitsbeziehungen (2023), die das Institut für Arbeit und Wirtschaft (iaw) in Kooperation mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der bundesweiten Vernetzung der Initiativen für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TVStud) durchgeführt wurde. Auf Basis bundesweiter Befragungen von über 11.000 studentischen Beschäftigten legt der Forschungsbericht eindrücklich dar, wie miserabel die Arbeitsbedingungen an den deutschen Hochschulen sind: So gab nur knapp ein Drittel der Studentischen Beschäftigten an, sich gut über die eigenen Arbeitsrechte informiert zu fühlen. Besonders deutlich wird dies beispielsweise anhand der Tatsache, dass in Hessen knapp 65 Prozent der Studentischen Beschäftigten ihren Urlaubsanspruch nicht voll-ständig wahrnehmen und etwa 33 Prozent ihre Krankheitstage nacharbeiten. Zudem machen bundesweit fast 40 Prozent der Studentischen Beschäftigten unbezahlte Überstunden und circa 10 bis 25 Prozent leisten unbezahlte Arbeit über die offiziell vereinbarte Vertragslaufzeit hinaus. Aufgrund der kurzen Vertragslaufzeiten von oftmals nur wenigen Monaten und der daraus resultierenden Angst, nicht weiterbeschäftigt zu werden, trauen sich viele studentischen Beschäftigten nicht, diese Umstände zu kritisieren und ihre Arbeitnehmer*innenrechte einzufordern.
Dass all dies aber keine neueren Entwicklungen sind, zeigen studentische Arbeitskämpfe in der Vergangenheit: Schon in den 1980er Jahren gründete sich in Berlin eine TVStud-Initiative, die erfolgreich für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte kämpfte. In Folge von dessen Erneuerung 2018 in Berlin, entwickelte sich eine bundesweite Bewegung mit dem Ziel, endlich gleiche Arbeitsbedingungen für alle studentischen Beschäftigten zu erkämpfen. Mit der ersten bundesweiten Konferenz in Hannover 2021 und der darauffolgenden Kampagne traten studentische Beschäftigte erstmals bundesweit gemeinsam mit den Beschäftigten der Länder in den Arbeitskampf. Erste Zugeständnisse einzelner Bundesländer sowie die Gesprächszusage der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) sind Erfolge dieser Kampagne. Mit der Studie Jung, akademisch, prekär schaffte die Bewegung zudem eine Verhandlungsgrundlage und neue Diskursmacht für die anstehenden Tarifverhandlungen im Oktober.
Sowohl die Erkenntnisse aus den Kämpfen der Vergangenheit als auch die Ergebnisse der Studie zeigen, wie entscheidend die Tarifierung von studentischen Beschäftigten für die Verbesserung ihrer Arbeitsverhältnisse ist. Im bundesweiten Vergleich zeigt das Beispiel Berlin, dass Tarifverträge sich positiv auf das Lohnniveau, die Vertragslaufzeiten, die Einhaltung von Arbeitnehmer*innenrechten sowie die Mitbestimmungsrechte durch einen eigenen vollwertigen studentischen Personalrat auswirken. Eine echte Verbesserung der prekären Situation von studentischen Beschäftigten können wir also nur über den gemeinsamen Kampf für einen Tarifvertrag herbeiführen – und dafür lohnt es sich, aktiv zu werden! Denn auch als Studierendenschaft profitieren wir von einer Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse von studentischen Beschäftigten, da bessere Arbeitsbedingungen die Qualität von Lehre und Forschung sicherstellen. Aus Solidarität mit unseren Kommiliton*innen und dem Interesse an guten Lehrveranstaltungen lohnt es sich, gemeinsam Einsparungsprozessen und Neoliberalisierungstendenzen in unserem Bildungssystem entgegenzutreten.
Wir treten für gute Bildungsmöglichkeiten für alle und ein (herrschafts-)kritisches Denken an den Hochschulen ein und bekennen uns auch deshalb zur TVStud-Bewegung, damit allen Studierenden der Zugang zum Wissenschaftsbetrieb offen ist und nicht nur jenen, die es sich leisten können, die prekären Verhältnisse zu ertragen. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von studentischen Beschäftigten ist kein Verlust; sie könnte aber sehr wohl einen Gewinn bedeuten – so führen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen einer Branche oft auch zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in anderen.
Als Studierendenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen solidarisieren wir uns deshalb mit den Forderungen und Aktionen unserer lokalen Initiative TVStud Gießen, der hessischen Vernetzung TVStud Hessen und insbesondere der bundesweiten TVStud-Bewegung!
Gute Lehre und Forschung für alle! Endlich her mit dem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte!