Pressemitteilung des AStA
Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Gießener Universität kritisiert in einem Statement auf ihrer Webseite die Ziele des vorläufigen Entwicklungsplan der Hochschule, der im Senat vergangenen Mittwoch besprochen wurde. Das Nachhaltigkeitskapitel im Entwicklungsplan soll den gesamtuniversitären Fahrtweg der JLU für die nächsten zehn Jahre skizzieren. Darin steht, dass erst ab 2022 konkrete Maßnahmen zur Abwendung der Klimakrise ergriffen werden sollen. „Doch die Klimakrise wartet keine zwei weiteren Jahre auf ein noch zu erarbeitendes Strategiepapier. Die Zeit drängt und während andere Hochschulen, wie die FU Berlin bereits 2025 klimaneutral sein möchte, wird unsere Uni die Chance eine handfestes Zeichen zu setzen verspielen.“ sagte ein*e Vertreter*in des AStA nach der Sitzung entsetzt.
Studentische Senator*innen versuchten sich konstruktiv in den Schreibprozess des Entwicklungsplans einzubringen. Eine wohldurchdachte Erarbeitung des strategischen Maßnahmenpakets im Bereich Nachhaltigkeit wurde begrüßt, jedoch wird das prioritäre Entwicklungsziel als Grundlage der Strategie als unvollständig angesehen: „Schon jetzt könnten mehr ökologische Inhalte fachspezifisch in allen Studiengängen verpflichtend eingeführt werden.“ kommentierte ein*e Senator*in aus den Reihen der Studierenden das prioritäre Entwicklungsziel Nachhaltigkeit. Ebenso müssten Nachhaltigkeitsbeauftragte eingeführt werden, die bereits jetzt den Entwicklungsprozess öffentlich begleiten würden und neben weiteren Wissenschaftler*innen der Arbeitsgruppe zur Erstellung der Nachhaltigkeitsstrategie grundlegende Daten zuliefern würden.
Beide Vorschläge wurden im Senat eingebracht, jedoch durch das Präsidium belächelt und in einer spontanen Abstimmung dem unvorbereiteten Senat übergeben. Das Ergebnis war mit einem Großteil an Enthaltungen erwartbar ernüchternd. Ein Lichtblick bleibt: Das Präsidium möchte die Kritik bis zur nächsten Sitzung am 25. März in den Überarbeitungsprozess des Entwicklungsplans einfließen lassen. Wir finden: Liebes Präsidium, bleiben Sie dem universitären Motto treu und gehen Sie neue Wege!
Das Präsidium der Justus-Liebig-Universität Gießen als Spitze des Erkenntisbetriebs offenbarte in der vorgestrigen Senatssitzung ein fragwürdig ausbaufähiges Verständnis eines verantwortungsbewussten Umgangs mit der Klimakrise.* Die JLU trug in der Vergangenheit in vielseitigen Forschungsvorhaben, z.B. in den Fachbereichen 08 und 09 und größeren Verbundprojekten, wie dem FACE2FACE Projekt zur Anpassung an den Klimawandel und der Minderung dessen, zum nachhaltigen Erkenntisgewinn bei. Darüber hinaus sind zukünftig erweiterte Forschungsschwerpunkte, wie die Einrichtung des Think Tanks "Panel on Planetary Thinking" veranschlagt. Mit der Tradition als Vorreiterrolle von Universitäten im faktenbasierten Hochschulraum brach das Präsidium heute als es den zweiten Teil eines Entwicklungsplans für dieses Jahrzehnt vorlegte.
Was ist passiert?
Ein "Weiter So" bis 2022 in allen Leistungsdimension der JLU ist unhaltbar. Statt sich an den Empfehlungen des wissenschaftlichen Weltklimrats IPCC zu orientieren, steckt das Präsidium in Hinsicht auf die Verwaltungsstrukturen und Lehrangebote der JLU den Kopf in den Sand. Bis konkrete Maßnahmen ergriffen werden sollen, verstreichen nach der aktuellen Version des Entwicklungsplans zwei weitere wertvolle Jahre. Zwar ist die Aufstellung einer ausgewogenen Nachhaltigkeitsstrategie begrüßenswert. Auch der Weg dahin lässt auf Verbesserungen hoffen. Schließlich sollen an der Erabeitung, Weiterentwicklung und Kontrolle dieser Strategie das Präsidium, Wissenschaftler*innen und Studierende beteiligt werden. Jedoch darf sich das Präsidium hinter dem Vorhaben für die nächsten Jahre nicht verstecken und vorhandene Ideen ablehnend aufschieben.
Was wurde abgelehnt?
Spätestens seit Sommer letzten Jahres liegen dem Präsidium verschiedene Konzepte vor um Entscheidungsprozesse, Handlungen und die Studiengänge ökologisch gerechter zu gestalten. Eines dieser Konzepte umfasst die Installation eines Green Offices, ein weiteres die Beschäftigung von Nachhaltigkeitsbeauftragten auf zentraler und dezentraler Ebene. Das unter anderem bereits an der TU Darmstadt erprobte Green Office-Konzept wurde nach Pseudogegenargumenten des Präsidenten Prof. Dr. Joybrato Mukherjee als Entwicklungsziel bis 2030 abgewiesen. GreenOffices sollen innerhalb der Hochschule Informations- und Vernetzungsangebote schaffen und eigenständige Projektarbeit realisieren. Wenn bundesweit über 30 Hochschulen Green Offices eingesetzt haben oder dies planen, ist der Vorwand, dass Einbindungsvorschläge in vorhandene Personalstrukturen fehlen würden, schlicht falsch.
Trotz Fürrede von studentischen Senator*innen und beratenden Mitarbeiter*innen, sowie Stimmen von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und professoralen Senator*innen der JLU wurde die Verschärfung des Entwicklungsziels Nachhaltigkeit, auch in der Schaffung von Nachhaltigkeitsbeauftragten mit Verweis auf die fehlende gesetzliche Verankerung im Hessischen Hochschulgesetz abgelehnt. Dabei ließen sich in der Schaffung jener Parallelen zu existierenden Beauftragten, wie der Gleichstellungsbeauftragten, ziehen. Neben den Analogien gibt es vergleichbare Ansprechpersonen bereits an anderen Hochschulen. An dieser Stelle sei die Scientist-For-Future-Beauftragte an der Universität Salzburg genannt. Diese und Weitere Best-Practice Beispiele sollten dem Präsidium die Augen für die Machbarkeit der geforderten Organisationseinheiten öffen.
Warum sollten konkrete Maßnahmen in einen lose dynamischen Entwicklungsplan?
Die Notwendigkeit diese einzurichten zeigt sich beispielsweise in Erstellung von gesamtuniversitären Ökobilanzierungen. Diese Quittungen weisen die zu beackernden Handlungsfelder auf. Damit wären sie ein Schritt, der die Aufstellung des versprochenen Nachhaltigkeitskonzepts konstruktiv begleitet. Dafür müsste diese Erhebungen bereits jetzt angegangen werden. Hierbei bietet es sich an diese Aufgabe, unter Weiteren, in die Hände eines Green Offices oder eines*r Nachhaltigkeitsbeauftragten zu geben.
Was muss passieren?
Wer die Zeichen der Zeit in ihrer Dringlichkeit drastischere Maßnahmen zu ergreifen nicht erkennt, kann sich auch nicht hinter scheindemokratischen Abstimmungen zur Erhebung von Stimmungsbildern im Senat und Aussagen verstecken, dass man ständig den Kopf hinhalte, wofür man keine Kompetenzen hätte. Das Präsidium fordern wir auf bis zur Vorstellung des finalen Entwicklungsplans am 25. März im Senat sich intensiver mit einem geeigneteren Entwicklungsziel Nachhaltigkeit zu beschäftigten. Dazu sei erneut auf bestehende Erfahrungen z.B. an der TU Darmstadt oder der Universität Salzburg und Ideen aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur, der Zivilgesellschaft und Wissenschaftler*innen verwiesen. In diesem Sinne lohnt es sich einen Blick auf die Freie Universität Berlin zu werfen. Dort verabschiedete das Präsidium bereits im Dezember 2019 klar umrissenen Ziele und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2025. Die FU Berlin zeigt, dass mehr drin ist um Nachhaltigkeit stärker zu praktizieren.
Ansonsten ließe sich feststellen, dass das Präsidium der Justus-Liebig-Universität Gießen weit entfernt davon wäre, mutige und zukunftsfähige Pläne für alle Bereiche zu entwickeln. Forschungsergebnisse müssen eine Grundlage für das geeignete Handeln insbesondere der Universitäten sein: Prof. Dr. Joybrato Mukherjee und Angehörige des Präsidiums: Gehen Sie [nachhaltig] neue Wege!
*[Die langfristige Zerbrechlichkeit der bestehenden Lebensgrundlagen angesichts des ungestoppten menschengemachten Klimawandels und des fortschreitenden Diversitätsschwunds in den vielfältigen Ökosystemen wurde spätestens mit der Veröffentlichung des Berichts "Grenzen des Wachstums" im Jahr 1972 durch das MIT und den Club of Rome offenbart. Die Folgenabschätzung wurden in den letzten 48 Jahren in der Wissenschaftsgemeinschaft, der die JLU angehört, stark ausgebaut. Hochschulen weltweit lieferten wichtige Beiträge um die Entstehung, katastrophalen Auswirkungen bei unveränderter Kurshaltung und Handlungsoptionen zur Sicherung eines bewohnbaren und lebenswerten Planeten Erde zu erfassen.]