Aktuell protestieren viele Studierende und Lehrende der renommierten, vor allem auch bei internationalen Studierenden beliebten Istanbuler Boğaziçi-Universität gegen einen von Recep Tayyip Erdoğan installierten Rektor: Am Freitag, den 01. Januar 2021 wurde der AKP-Politiker Melih Bulu vom Staatspräsidenten als Rektor der Universität eingesetzt. Die Wahl von Rektoren an Universitäten findet in der Türkei eigentlich intern statt. Dies hat sich seit dem Putschversuch 2016 jedoch geändert. Seitdem versucht Erdoğan massiven Einfluss auf das hochschulpolitische Geschehen zu nehmen, in diesem Falle ist die Einsetzung eines regimetreuen Kaders ein klarer Angriff auf den unliebsamen liberalen Geist der Boğaziçi-Universität.
Seit der Ernennung Bulus fanden erst in Istanbul und darauffolgend auch in anderen türkischen Städten Proteste von Studierenden statt. Sie fordern eine demokratisch organisierte Universität, die Raum zur unabhängigen Entfaltung und für ein freies Studium bietet. Der Protest hat vor Ort wie auch international hohe Wellen geschlagen.
Auf diese Proteste reagiert das AKP/MHP-Regime mit brutaler Gewalt, es kam bereits zu zahlreichen Festnahmen. So soll versucht werden, den Widerstand der Studierenden zu brechen. Im Zuge dieser Repressionen kommt es zu Übergriffen seitens der Sicherheitsbehörden, etwa in Form von Nacktdurchsuchungen, Todes- und Vergewaltigungsdrohungen, besonders gegenüber LGBTQI*-Studierenden. Dieses Vorgehen des türkischen Regimes zeigt einmal mehr, dass sich die Türkei mehr und mehr in einen autoritären Polizeistaat verwandelt.
Denn über diesen Vorfall hinaus ist die politische Lage in der Türkei mehr als problematisch: jegliche Formen demokratischer Opposition stehen unter massiver Repression, es kommt regelmäßig zu Verhaftungen von Demokraten:innen und Menschenrechtler:innen – so errichtet das Regime einen autoritären Staat und baut seine Macht weiter aus.
Die Studierenden in der Türkei fordern die Freilassung der Gefangenen, den Rücktritt von Melih Bulu als Rektor der Boğaziçi-Universität und demokratische Wahlen. Als Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der JLU schließen wir uns diesen Forderungen unserer Kommiliton:innen an und solidarisieren uns mit ihren Protesten für ein demokratisches Leben und eine demokratische Universität. Als Studierendenvertretung in Gießen fordern wir von unserer Universität, insbesondere auch gegenüber ihren türkischen Partneruniversitäten, ein entschiedenes Eintreten für freie, unabhängige und demokratische Universitäten.