Der große Wurf bleibt aus! Grundlegender Wandel wird auf die lange Bank geschoben.
In Wiesbaden wurde am Mittwoch, dem 11.03.2020, der neue hessische Hochschulpakt zwischen dem Land und den Hochschulen unterschrieben. Das Feld der Hochschulentwicklung in den Bereichen Forschung, Lehre und Verwaltung ist damit für die nächsten 5 Jahre abgesteckt. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Justus-Liebig-Universität (JLU) begrüßt die Aufstockung der finanziellen Mittel und den stärkeren Fokus auf gesellschaftlich relevante Themen wie Nachhaltigkeit und Gendergerechtigkeit, betont aber, dass die Chance verpasst worden sei einen Quantensprung in ein revolutioniertes Bildungssystem zu wagen. So wurde die Förderung der exklusiven Exzellenzprofilierung nicht ins Aus zu gestellt. Dies führe weiterhin zum Konkurrenzkampf zwischen einem Drittmittelorientierten Forschungsauftrag und der guten Lehre für die Studierenden. Ob dieser mögliche Wettbewerb zu Lasten der Studierenden gehen wird, wird sich angesichts der in Aussicht gestellten Entfristungen und mehr Professor*innen zeigen.
Von guten Studienbedingungen für Alle sei man dennoch weit entfernt. „Der neue Hochschulpakt ist leider nicht der große Wurf, den wir uns erhofft hatten. Grundlegende Probleme wie der Konkurrenzkampf der Hochschulen um externe Gelder und eine Betreuungsrelation, die sich im bundesweiten Vergleich im hinteren Mittelfeld bewegen wird, werden im Kern erhalten bleiben. Und genauso wird unsere Uni mit den Versprechen im Paktteil „Bauliche Entwicklung“ voraussichtlich nicht alle maroden Seminarräume renovieren können – von einer energetischen Sanierung ganz zu Schweigen.“, kritisiert Arne Krause, Referent für Hochschulpolitik. Jetzt liege der Ball, aus Sicht des AStA, bei den einzelnen Hochschulen, die in den individuellen Zielvereinbarungen das maximal Mögliche herausholen müssten um zumindest ein halbwegs annehmbares Endergebnis erzielen zu können.
Offen bleibt beispielsweise vorerst die konkrete Ausgestaltung der nachhaltigen Entwicklung an den Hochschulen. Die Intensivierung der Klimaschutzbemühungen war nicht nur bei den Fridays-for-Future Demonstrationen ein Thema, sondern wurde auch an den Universitäten und Fachhochschulen in den vergangenen Monaten von der Studierendenschaft eingefordert und kontrovers diskutiert. „Das Land hat die Forderungen von uns Studierenden offensichtlich erhört und stellt im Hochschulpakt umfangreiche Gelder im Bereich der Nachhaltigkeit zur Verfügung. Wir erwarten, dass die JLU diese Chance ergreift, sich hier schnell ambitionierte Ziele setzt und ein koordinierendes Nachhaltigkeitsbüro schafft, um die vom Land vorgegeben Klimaschutzziele noch zu erfüllen“, nimmt Michel Zörb, ebenfalls Referent für Hochschulpolitik, die Universitätsleitung in die Pflicht. Die Bewältigung der Klimakrise sei die größte Herausforderung unserer Zeit, so der Referent weiter. Als Hochschule müsse man die Studierenden darauf in der Lehre und Forschung gezielt vorbereiten, aber eben auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Ebenfalls mehr finanzielle Mittel gibt es im Bereich des Unterhalts und des Neubaus von Lehr- und Forschungsgebäuden. Die Mängel sind an der JLU in diesem Bereich allerdings auch erheblich. Die Problematik der sowieso schon überfüllten Hörsäle und Seminarräume werde dadurch noch zusätzlich verschärft und sei kurzfristig nicht lösbar. Die Vertreter*innen des AStA sind skeptisch, inwiefern die zur Verfügung gestellten Gelder, dem offensichtlichem Handlungsdruck angemessen begegnen können. Die Reaktion des Landes komme hier deutlich zu spät und das Projekt einer vollständig ausfinanzierten Hochschule werde weiter auf die lange Bank geschoben.
Die zwiegespaltene Bewertung des AStA bezieht sich auf weitere Teile des neuen Hochschulpaktes. Denn während eine Entfristung der wissenschaftlich angestellten Mitarbeiter*innen und eine Fortführung der Studierendeneinführungsangebote in Aussicht gestellt wird, was zu begrüßen sei, bliebe die Unsicherheit über die Fortführung bewährter Beteiligungsformate bestehen. So waren die Studierenden maßgeblich an der Einführung gewinnbringender Angebote, wie einer kostenfreien psychologischen Beratung an der JLU, beteiligt, da sie in den sogenannten QSL-Kommissionen eine Stimmenmehrheit besitzen. Solche positiven Beispiele untermauern die langjährigen Forderungen der Studierendenvertretungen nach mehr Mitbestimmungsrechten an den Hochschulen. „Wir Studierende wissen schließlich selbst am besten, wo gerade der Schuh drückt.“, gibt die Hochschulpolitik-Referentin Ellen Beck auch im Hinblick auf die nun folgenden Verhandlungen zu den Zielvereinbarungen zwischen den einzelnen Hochschulen und dem Land zu bedenken.
Anmerkung zur inhaltlichen Korrektur vom 13. März: Der Finanzierungsmechanismus wurde entgegen der ursprünglichen Auffassung tatsächlich grundlegend geändert. So wurden bspw. die Clusterpreise abgeschafft. Dies stellt eine wichtige Kehrtwende dar. Darüber hinaus wurde klar gestellt, was der AStA unter der ursprünglich genannten „miserablen Betreuungsrelation“ versteht. Die historische Wende beim neuen Hochschulpakt ist nicht der größte Wurf, aber ein Schritt in die richtige Richtung.