Im Rahmen der Berichterstattung über sogenannte „Spaziergänge“ und vereinzelten Aktionen
auf dem Gelände der Justus-Liebig-Universität hat die Gießener Ortsgruppe von „Studenten
stehen auf“ Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Die selbst gewählte Bezeichnung dieser Gruppierung erweckt den Anschein, dass ihre
Meinungen und ideologischen Bestrebungen die Studierendenschaft der JLU widerspiegeln.
Allerdings hat „Studenten stehen auf“ weder eine Legitimation noch ein allgemeines Mandat,
um für die Studierendenschaft zu sprechen oder sie gegenüber der Universität oder anderen
Akteur:innen zu vertreten. Das Studierendenparlament distanziert sich als gewählte
hochschulpolitische Interessenvertretung der Studierendenschaft in aller Deutlichkeit von
„Studenten stehen auf“ und ihren jeweiligen Ortsgruppen, aus folgenden Gründen:
Beispielsweise verübte die Gießener Gruppierung bewusst und aktiv Geschichtsrelativierung,
indem sie sich in ihrem selbstreklamierten Widerstandsrecht auf die „Weiße Rose“ um Sophie
und Hans Scholl bezogen. Indes wurden weiße Rosen symbolisch vor den Gießener Gerichten
abgelegt, um gegen gerichtliche Urteile, welche Coronamaßnahmen bestätigten, zu
demonstrieren. Mit dem Missbrauch dieser Symbolik wird das Andenken an den Widerstand
gegen den Nationalsozialismus angegriffen. Der Vergleich mit dem angeblichen „Widerstand“
gegen die Infektionsschutzmaßnahmen verharmlost die systematische Vernichtung von über
sechs Millionen Jüdinnen:Juden, Rom:nja und Sinti:zze sowie von allen anderen Opfern. Dieser
Antisemitismus und die damit einhergehenden Verschwörungsideologien sind mit unseren
Grundwerten unvereinbar.
„Studenten stehen auf“ zeigt sich mithin deutlich wissenschaftsfeindlich. Dies wurde in Gießen
bei einer Graffitiaktion auf dem Campus der JLU deutlich. „Alternative Fakten“, Gefühlslagen
und Fake News werden in den Kreisen der Gruppierung mehr Aufmerksamkeit und Glauben
als wissenschaftsbasierte Erkenntnisse geschenkt. Einzelschicksale werden gezielt
hervorgehoben und aus dem Kontext der faktenbasierten Erkenntnislage gerissen. Das hat mit
einer akademischen Arbeitsweise nichts gemein und an einer Universität keine
Daseinsberechtigung.
Für uns ist ein Diskurs über politische Entscheidungen elementarer Bestandteil der Demokratie.
Demokratischer Diskurs bedeutet auch eine klare Abgrenzung gegenüber Kollektivist:innen,
Verschwörungsmythiker:innen und Extremist:innen jeglicher Coleur. Wir erkennen die
Meinungsfreiheit aller an, auch wenn sie unserer eigenen widerspricht. Genau deshalb laden
wir jede:n der „Studenten stehen auf“ zu unserer Studierendensprechstunde ein, um einen
inhaltlichen Diskurs über ihre politischen Ziele zu führen.
Im Gegensatz zu den beschriebenen Gruppen sollte die gesellschaftliche Aufmerksamkeit
denjenigen gelten, die tagtäglich aufopferungsvolle Arbeit im Kampf gegen die Pandemie
leisten. Aus Solidarität mit diesen Menschen und zum Schutze der besonders gefährdeten
Gruppen ruft das Studierendenparlament dazu auf diesen Kampf zu unterstützen und
Maßnahmen zum Infektionsschutz zu berücksichtigen sowie Impfangebote wahrzunehmen